Mary lebt in einem kleinen Vorort von Salzburg. Sie ist ein hübsches sechzehnjähriges Mädchen, deren Zuhause seit klein an die große Familie eines Kinderheimes war. Mary fühlt sich keiner Religion zugehörig, wenngleich sie stets alle Religionsstunden besuchte und auch des öfteren an den sonntäglichen Gottesdiensten teilnahm.
Dennoch ist sie ein sehr gottverbundenes Mädchen, das ihr tägliches Gebet niemals vergißt, obwohl dessen formaler und zeitlicher Rahmen stets ungebunden sind.
Ihr Gebet ist mehr ein Dialog als ein Bitten, mehr ein Gespräch zu einem verehrten Freund als irgend etwas anderes. So fühlte sich Mary noch niemals wirklich alleine, auch wenn sie nicht immer eine Antwort im üblichen Sinne erhielt. Vielmehr zeigten ihr die alltäglichen Begebenheiten und Situationen meistens sehr rasch den Willen Gottes. Dies funktionierte jedoch nur, wenn sie ihre Gebete mit dem Zusatz: "Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe" versah und es ihr auch wirklich gelang, frei von jeglicher Erwartung hinsichtlich Gottes Antwort zu sein. So erkannte sie, daß alle Fragen meistens schon beantwortet waren, ehe sie sie stellte.
Es war an einem schönen Sonntagmorgen, als sie so gegen sechs Uhr erwachte. Es war für Mary ein besonderer Tag, es war ihr Geburtstag.
"Guten Morgen, mein lieber Vater", sprach sie in Gedanken wie nach jedem Erwachen zu GOTT, denn ihre Beziehung zu ihm war eine sehr freundschaftliche, offene und innige.
"Gesegnet bist du mein Kind" war an diesem Morgen die prompte Antwort. Mary erschrak keinesfalls über diese liebevolle Stimme in ihrem Inneren, die sie heute wie schon so oft vernahm, als sei sie eins mit ihr. Sie wurde dabei erfüllt von einem tiefen Gefühl der Liebe und des Friedens, die immer unertrüglich sicherstellen, daß es des Vaters Stimme war.
"Heute offenbare ich dir ein Geheimnis, das keines ist, mein Kind. Du bist wie ich, weil du mein Kind, mein Sohn und meine Tochter bist".
"Das ich dein Kind bin, verstehe ich, das ich deine Tochter bin, verstehe ich auch, aber das ich auch dein Sohn bin, ist mir nicht verständlich, bin ich doch ein Mädchen", antwortete sie.
"Nun gut, höre auf die Botschaft meiner Worte. Ich habe unendlich viele Kinder, unendlich viele Söhne und unendlich viele Töchter, und dennoch sind sie alle eins, da sie eins sind als mein Sohn, den ich gleich mir erschuf".
"Heißt das, daß ich weder ein Mädchen noch ein Junge bin"?
"Verwechsle dich nicht mit Deinem Körper. Weder bist du ein Körper, noch bist du von dieser Welt".
"Aber ich heiße doch Mary und lebe ganz offensichtlich in dieser Welt in einem Körper".
"Ja, in einem Körper, der du nicht bist".
"Heißt das, daß ich auch nicht Mary bin"?
"Du sagtest es soeben. Dein Name ist nicht Mary".
"Wenn ich kein Körper bin und auch nicht heiße, wie ich dachte, was ist dann mein Name und wo ist meine Heimat"?
"Du wohnst in mir. Mein Name ist dein Name, da du das Abbild Gottes bist, als das ich dich erschuf".
"Vater, wenn dem so ist, warum kann ich mich dann nicht daran erinnern"?
"Weil du es selbst vergessen wolltest".
"Ich selbst ......." ??
"Wie könnte ich meine eigene Schöpfung, meine eigene Reproduktion sozusagen wohl anders erschaffen als mich selbst? Ich habe dich gleich mir mit freiem Willen ausgestattet, und würde ich dich darin beschränken, wäre es eine Begrenzung meines eigenen göttlichen Seins. Du wähltest das Abenteuer in einer Welt getrennt von mir und dein Wille geschah, wenngleich auch nur als Traum. Doch wer träumt, der schläft und weiß nicht wer er wirklich ist".